Wie lassen sich Gesundheits- und Sozialsysteme effektiver miteinander verzahnen? Diese Fragestellung steht im Fokus eines aktuellen Policy Briefs, den das Schweizer Forum für Integrierte Versorgung (fmc) gemeinsam mit der Careum Stiftung entwickelt hat.
Gesundheit ist das Ergebnis eines Zusammenspiels vielfältiger Einflüsse – neben körperlichen Aspekten spielen auch soziale Faktoren wie finanzielle Schwierigkeiten, familiäre Belastungen oder Arbeitslosigkeit eine Rolle. Gleichzeitig können chronische Erkrankungen oder Mehrfachdiagnosen erhebliche Auswirkungen auf das soziale Umfeld der Betroffenen haben.
Gesundheit und Soziales – Zwei Bereiche, die Hand in Hand gehen müssen
Um Gesundheit ganzheitlich zu fördern, sollten körperliche, seelische und soziale Dimensionen gleichwertig berücksichtigt werden – ein Ansatz, der bereits in der Ottawa-Charta der WHO von 1986 verankert ist. Dies bedeutet, dass Patient:innen oft nicht nur medizinische, sondern auch soziale Unterstützung benötigen.
Doch hier bestehen noch deutliche Lücken im Versorgungssystem – wie eine Analyse des fmc und eine qualitative Studie von Careum zeigen. Beide Systeme agieren vielfach noch isoliert voneinander, obwohl eine enge Zusammenarbeit dringend erforderlich wäre.
Fachkräfte im Gesundheitswesen stossen an ihre Grenzen
Die Herausforderungen an der Nahtstelle zwischen medizinischer und sozialer Versorgung nehmen spürbar zu. Themen wie finanzielle Notlagen, Probleme mit Versicherungen, Arbeitslosigkeit oder schwierige Wohnverhältnisse erfordern ein interdisziplinäres Vorgehen. Aktuell fehlen jedoch oft klare Zuständigkeiten, verlässliche Netzwerke und abgestimmte Prozesse.
Medizinisches Personal sieht sich zunehmend mit sozialen Problemlagen konfrontiert, hat aber nicht immer die Ressourcen oder das Wissen, um adäquat zu reagieren. Während Überweisungen innerhalb des Gesundheitsbereichs gut funktionieren, fehlt es bei sozialen Unterstützungsangeboten an standardisierten Verfahren – ein zentrales Defizit, das dringend angegangen werden muss.
Neue Impulse durch Careum und fmc
Basierend auf ihren Analysen haben Careum und fmc im Herbst 2024 eine interprofessionelle Austauschplattform initiiert. Vertreter:innen aus verschiedenen Berufsgruppen – etwa aus Medizin, Pflege, Sozialarbeit und Versicherungen – diskutierten gemeinsam mit einer betroffenen Patientin über notwendige Verbesserungen an der Schnittstelle zwischen Gesundheits- und Sozialsystem.
Fünf Handlungsempfehlungen für eine integrierte Grundversorgung
Zentrales Ergebnis der Diskussion: Um Menschen mit sozialen Herausforderungen wirksam zu unterstützen, ist ein frühzeitiges Erkennen von medizinischen und sozialen Bedürfnissen essenziell. Über Koordinationsstellen und regionale Netzwerke sollen gezielte Unterstützungsangebote vermittelt werden.
Die folgenden fünf Empfehlungen wurden im Policy Brief formuliert, um politischen Akteuren, Institutionen und Fachverbänden Orientierung zu geben:
- Gesundheitsfachpersonen sollten für soziale Problemlagen sensibilisiert und ein ganzheitliches Krankheitsverständnis gefördert werden.
- Menschen mit sozialen Belastungen benötigen je nach Bedarf abgestimmte Begleitung und Koordination.
- Es sind spezialisierte Koordinationsstellen zu schaffen, an die aus dem Gesundheitsbereich überwiesen werden kann.
- Regionale Übersichten zu sozialen Angeboten und Ressourcen sollen entwickelt und zugänglich gemacht werden.
- Lokale Kooperationen sollten gefördert werden, um bestehende Angebote zu bündeln und neue Strukturen zu schaffen.
Diese Empfehlungen dienen als Fundament für eine zukunftsfähige Verbindung beider Systeme. Mit der Veröffentlichung des Policy Briefs ist ein wichtiger Schritt getan – nun sind konkrete Umsetzungen gefragt.
Und jetzt?
Der Ball liegt nun bei politischen Entscheidungsträger:innen, Fachverbänden und Institutionen, diese Empfehlungen in die Praxis zu überführen. Careum und fmc planen zudem, gezielt Partnerschaften aufzubauen, um nächste Schritte zu ermöglichen.