Mit der Revision des Krankenversicherungsgesetzes (Art. 58a KVG) stehen Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz vor einer neuen Aufgabe: Sie sollen Qualitätsdaten systematisch erheben, offenlegen und ihre Bemühungen zur Qualitätsentwicklung dokumentieren. Für die Grundversorgung ist das Chance und Herausforderung zugleich. Einerseits verspricht Transparenz mehr Orientierung für Patient:innen und ein starkes Signal für Qualität. Andererseits dürfen die zusätzlichen Anforderungen den ohnehin belasteten Praxisalltag nicht noch schwerer machen.
Warum Qualitätstransparenz entscheidend ist
Transparenz schafft Vergleichbarkeit – und damit die Möglichkeit, voneinander zu lernen. Sie macht gute Versorgung sichtbar, eröffnet Austausch mit Kolleginnen und Kollegen und legt Verbesserungspotenziale offen. Damit Qualitätstransparenz wirkt, müssen die Daten praxisnah, fair und relevant für die medizinische Versorgung sein. Werden Transparenzinstrumente ohne Akzeptanz der Leistungserbringenden eingeführt, droht das Gegenteil: zusätzliche Belastung ohne erkennbaren Nutzen und Frust bei den Ärztinnen und Ärzten.
Die Ergebnisse der Studie
Eine aktuelle Befragung von über 200 Schweizer Grundversorger:innen zeigt, unter welchen Bedingungen sie bereit sind, ihre Versorgungs- und Qualitätsdaten zu teilen – und wann nicht:
- Akzeptierte Indikatoren: Strukturindikatoren (z. B. Vorhandensein eines elektronischen Dossiers, Fortbildungsnachweise, Praxisorganisation) und Prozessindikatoren (z. B. Impfquoten, Dokumentation von Vorsorgeuntersuchungen, Einhaltung von Leitlinien) werden von einer Mehrheit positiv bewertet. Indikatoren zu Behandlungsergebnissen (z. B. Blutdruckeinstellung bei Hypertonie, Behandlungsergebnisse bei Diabetes) werden deutlich kritischer gesehen, da sie stark von externen Faktoren abhängen und ohne Risikoadjustierung leicht fehlinterpretiert werden können
- Bereitschaft zum Austausch: Hohe Zustimmung gibt es für den Austausch innerhalb der eigenen Praxis oder im Ärztenetzwerk. Auch mit Fachgesellschaften und Universitäten besteht Vertrauen.
- Grenzen der Transparenz: Eine Veröffentlichung gegenüber Versicherern, Behörden oder gar der breiten Öffentlichkeit wird klar abgelehnt. Öffentliche Dashboards, wie sie in anderen Ländern existieren, finden kaum Akzeptanz.
- Angestellte vs. Selbständige: Angestellte Ärzt:innen zeigen sich etwas offener für den Austausch mit Versicherern oder Behörden – die Mehrheit bleibt aber auch hier zurückhaltend.
- Vertrauenswürdige Partner: Netzwerke, medizinische Verbände und akademische Institutionen gelten als geeignete Akteure, um Indikatoren zu entwickeln und Daten zu verwalten. Versicherer und staatliche Stellen geniessen dieses Vertrauen nicht.
- Finanzielle Anreize und Sanktionen: Eine Zustimmung erhalten grundsätzlich die Berücksichtigung von Qualitätsaspekten in den Vertrags- und Tarifwerken. Diese sollen aber mit positiven, motivierenden Anreizen ausgestaltet sen. Deutlich abgelehnt werden Strafmassnahmen oder Sanktionen bei Nicht-Teilnahme oder Nicht-Erreichung der Qualitätsziele
Fazit
Die Studie zeigt deutlich: Für eine erfolgreiche Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben braucht es einen Qualitätsrahmen, der auf Peer-to-Peer-Transparenz setzt, praxisrelevante Indikatoren nutzt und ärztliche Netzwerke sowie Fachgesellschaften aktiv einbindet. Öffentliche Sichtbarkeit wird von den meisten Hausärztinnen und Hausärzten abgelehnt, während interne Transparenz als sinnvoller Motor für Qualitätsentwicklung akzeptiert wird. Nur wenn diese Präferenzen berücksichtigt werden, kann Qualitätstransparenz tatsächlich zu nachhaltiger Qualitätsverbesserung in der Grundversorgung beitragen