PEPra – Unterstützung für die Prävention nicht übertragbarer Krankheiten im Praxisallltag der Grundversorger
Wie können ambulante Grundversorger mehr präventiv tätig sein? Das Webinar stellt das Projekt PEPra – Prävention mit Evidenz in der Praxis – vor und diskutiert mit Expert:innen die Chancen und Herausforderungen.
Die Expert:innen
- Salomé Steinle, Projektleiterin PEPra. Stv. Abteilungsleiterin Public Health, FMH
- Chiwith Baumberger, Fachspezialistin MPA, FMH
- Martin Liesch, Hausarzt, Schiers (GR). Medizinischer Leiter Ärztenetz Grisomed
- Nicole Thönen, Leitende MPA, Praxis für Hausarztmedizin, Belp. Zentralpräsidentin SVA
- Christian Frei, Leiter Integrierte Versorgung SWICA
- Jvo Schneider, Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz
Initiaves Pilotprojekt der FMH
PEPRa ist ein Pilotprojekt der FMH mit einer breit aufgestellten Trägerschaft. Es ist eine Informations-Plattform für Arztpraxen, richtet sich mit Tools, modularen Fortbildungen und regionalen Info-Events an das gesamte Praxisteam, Ärzt:innen und MPAs. Mit Blick auf nicht übertragbare Krankheiten soll PEPra die Umsetzung von Prävention im Praxisalltag erleichtern. Es ist evidenzbasiert erarbeitet, patientenzentriert und praxistauglich.
Ein Hintergrund von PEPra ist die hohe Prävalenz nicht übertragbarer Krankheiten in der Schweiz:
- Diabetes, Krebs, kardiovaskuläre Krankheiten (ca. 2,2 Millionen Menschen).
- Depression: bei 5% der Bevölkerung (ca. 400’000) diagnostiziert.
- Suchterkrankungen: hohe Dunkelziffer, grosse Herausforderung für das Gesundheitswesen.
PEPra-Projektleiterin Salomé Steinle betont in ihrer Präsentation die zentrale Rolle der Grundversorger für die Prävention. «Sie sind eine wichtige Anlaufstelle für die Patient:innen. Das Praxisteam geniesst deren Vertrauen. Der direkte Draht ist eine wertvolle Ressource für die Prävention.» Der Return of Investment von Prävention sei unbestritten. Die Frage laute eher, wie man sie optimal einsetzen, organisieren und finanzieren kann.
Chewith Baumberger, MPA-Fachspezialistin bei der FMH, betont die Grundorientierung von PEPra: «Von der Praxis für die Praxis». Die Haltung des gesamten Praxisteams sei dabei entscheidend. Würden alle präventionsorientiert denken und handeln, sei das ein grosser Mehrwert für die Patient:innen, Ärzt:innen und das Praxisteam.
Reflexionen aus der Alltagspraxis
Martin Liesch, Hausarzt in Schwiers und medizinischer Leiter des Ärztenetzes Grisomed, begrüsst PEPra als Mehrwert für seine Arbeit. «Sensibilisierung, Fortbildung und ausbaubare Angebote zeigen in die Richtung, die wir brauchen.» Er weist aber auch auf die Hindernisse der Prävention hin. Obwohl vieles systematisch gemacht werde (Screening, Impfungen, Schularzt usw.), erfolge Prävention mehrheitlich auf individueller Initiative. Die Programme seien noch zu sehr risikobezogen, nicht populationsorientiert. Komme dazu, dass das Verhalten der Patienten schwer beeinflussbar und oftmals widersprüchlich sei. Das führe häufig zu absurden Situationen. Liesch nennt das Beispiel des Rauchers, der sein Cholesterin behandeln lasse, aber weiter rauche und sich zu wenig bewege.
Patientenverhalten bewerten, das sei ein heikles Thema, sagt Christian Frei von der SWICA. Wo sind die Grenzen? Schliesslich würden auch nicht alle Ärzte gleich viel Gewicht auf die Prävention legen. Zur Finanzierung meint er, die Grundversicherung sollte evidenzbasierte Prävention übernehmen. Die Herausforderung bleibe aber, wie man die Zielgruppe erreiche. Denn viele gefährdete Menschen kämen erst als Patient:innen. «Für diese Leute brauchen wir eine Öffnung zu weiteren Leistungserbringern, etwa Physiotherapie und Apotheken.»
Aufwertung von Prävention und Praxisteam
Wie und wann jemanden ansprechen? Diese Frage steht für Nicole Thönen, Präsidentin des Verbands Medizinischer Praxis-Fachpersonen (SVA), im Zentrum. MPA und MPK könnten diese Arbeit leisten. «Wir müssen sie für das Thema und das Feingefühl für unterschwellige Gespräche sensibilisieren», sagt sie. Das verlange nach einer sorgfältigen Ausbildung. Dazu brauche es Zeit. Thönen freut sich über PEPra. «Dies Projekt ist sehr wertvoll. Es fördert den Wert für die Menschen, den Sinn der Arbeit und das Wir-Gefühl im Praxisteam.» Sie weist aber auch auf die Gradwanderung hin, gerade beim Thema Sucht. Das anzusprechen, sei schwierig. Und wie weit solle man gehen? Martin Liesch betont hier, viele Patient:innen würden irritiert reagieren, wenn man sie beiläufig auf dieses Thema anspreche.
Natürlich diskutierten die Fachleute auch über Finanzierungsfragen. Hausarzt Martin Liesch betonte, man müsse hier schon genau hinsehen. Irgendwoher müsse die Leistungen ja bezahlt werden. Eine Pauschale? Allgemein: Wie könne man Anreize schaffen für mehr Primärprävention? Christian Frei (SWICA) dazu: «Da sind wir offen für Gespräche!»
Rahmenbedingungen schaffen
Alle waren sich einig: PEPra sei ein wichtiger Ansatz zu gezielter Prävention. Das Projekt solle unbedingt weiterentwickelt werden. Moderator Oliver Strehle fasste zusammen: Prävention gehöre in den Praxisalltag der Grundversorger und verlange nach systematischem Vorgehen. Dazu gehöre auch die Öffnung zu den sozialen Aspekten von Krankheit: «Krankheit macht arm – Armut macht krank». Die Rahmenbedingungen, so Strehle, müssten angepasst werden, damit sich auch in der Prävention etwas Zukunftsweisendes ändere.
Das Schweizer Forum für Integrierte Versorgung (fmc) bedankt sich bei den Expert:innen für ihre wertvollen Beiträge.