Dr. Axel Kaehne forscht international zu Integrierter Versorgung (IV). In seiner Präsentation streifte er kurz die (bisher) vier Phasen von IV: Sie fokussierte in den 1990er Jahren auf Menschen mit chronischen Erkrankungen und physisch/psychischen Behinderungen. In Phase zwei ging es vor allem um Kosten und die Erkundung von Alternativmodellen. Phase drei war geprägt von der professionellen Fragmentierung und der Definition von Patientenpfaden. Die aktuelle Phase vier, so Kaehne, sei der am geringsten entwickelte Bereich: Der Fokus hin zum Patienten.
Die Key-Facts des Webinars
- Die integrierte Versorgung ist kein Modell, sondern ein Set von Best Practise und intrinsisch geformt von prozessualen Faktoren. Eine einfache Übertragung auf andere Regionen und Situationen ist daher nicht möglich
- Integrierte Versorgungsmodelle muss den Fokus stärker auf die Bedürfnisse der Patienten und nicht mehr auf die Organisation und die Prozesse ausrichten
- Zur Entwicklung der Integrierten Versorgung sind die Digitalisierung, ein populationsbasiertes Health Management sowie eine interprofessionelle Ausbildung zu fördern
Integrierte Versorgung ist intrinsisch geformt
Es sei nun die Zeit für Weichenstellungen. „Denn wir wissen immer noch nicht genau, wie wir neue Programme in unser System transferieren sollen.“ Sie seien zu sehr professionell motiviert und (noch) zu wenig aus der Sicht der Patienten. Man könne IV-Modelle sowieso nicht entwickeln und dem System überstülpen. „IV ist ein Set von Best Practise, intrinsisch geformt von prozessualen Faktoren.“ Man habe lange unterschätzt, wie schwierig Veränderungen in der Versorgungslandschaft stünden und wie immens die Anforderungen ans Personal dabei seien. Programme/Modelle seien oft nicht kongruent mit der Realität von Nutzern und der Organisation. „Das muss sich ändern“, forderte Kaehne.
Lernen aus der Pandemie
Kaehnes Fazit: Wir müssen weg kommen von der Vorstellung von IV als Intervention. Forschung in der Black Box sei kompliziert und bringe keine nützliche Beweislage. Die Pandemie habe gezeigt, was wir brauchten: Mehr Segmentierung, populationsbasiertes Health Management, Risiko-Schichtung und Digitalisierung. Implementierungspläne müssten robuster sein in Bezug auf Unwägbarkeiten und die Beweislage klarer werden. Vor allem müsse die Digitalisierung voran getrieben werden.
Fragmentierung ist ein Faktum
Holger Auerbach stellte hier skeptisch die Frage: «Können wir wirklich den Patienten ins Zentrum stellen mit einem solch fragmentarischen System?» Angesichts der vielen Interessensgruppen findet er die Ausgangslage mit kleinen Modellversuchen und dem «Prinzip Hoffnung» eher ernüchternd. Andrerseits sieht er im Fachkräftemangel eine Chance für die Beschleunigung der IV. Die Ressourcen seien längst an den Grenzen angelangt. Das könnte die IV durch den Druck der verschiedenen Leistungserbringer verbessern.
Die Zukunft bringt massive Veränderungen
Kaehne verwies noch auf die zunehmende duale Ausbildung im Gesundheitswesen. Das sei ein Weg. Dazu brauche es überprofessionelle Netzwerke. Sein Fazit: Wir sind noch nicht darauf vorbereitet, dass die Veränderung im Gesundheitswesen zu einer Konstante der Zukunft werden wird. «Die Forschung zur Integrierten Versorgung wird das, was wir bisher gemacht haben, sehr stark verändern.»
Wir danken Dr. Axel Kaehne, Prof. Health Service Research, Edge Hill University, Liverpool und Dr. Holger Auerbach, Geschäftsführer Akomo GmbH für ihre Teilnahme an unserem Webinar.