Am Gesundheitspolitischen Anlass am 23. November 2022 wurden die «Netzwerke zur koordinierten Versorgung (NKV)» vorgestellt und die grundsätzlichen Möglichkeiten zur «Förderung der koordinierten Versorgung» diskutiert. Am Anlass wurden Positionen des BAG, der SGK-N, der SPO, von santésuisse, Spitex Schweiz, Pharmasuisse und H+ präsentiert.
In seiner Botschaft von Anfang September 2022 zum Massnahmenpaket 2 schlägt der Bundesrat u.a. «Netzwerke der koordinierten Versorgung (NKV) unter ärztlicher Leitung» als neuen Leistungserbringer nach Art. 35 KVG vor.
Der Vorschlag stösst bei einigen Akteuren auf Widerstand. Die SGK-N tritt zwar auf die Botschaft ein, stellt aber fest, dass die Stellungnahmen zu den sieben Massnahmen des Bundesrates sehr kritisch und unterschiedlich ausfielen (siehe Medienmitteilung).
Am 10. November hat die SGK-N beschlossen, dass sie die Beratungen zum Massnahmenpaket 2 vorläufig einstellt und die Diskussionen im 2. Quartal 2023 wieder beginnen wird. In der Zwischenzeit will die SGK-N mit einem Runden Tisch, an dem alle Akteure sitzen sollen («auf Augenhöhe»), eine mehrheitsfähige Lösung erarbeiten lassen.
«Ja» zur Integrierten Versorgung - «Jein» zu NKV
Am Gesundheitspolitischen Anlass des fmc präsentierten zunächst die Vertreterinnen des BAG, der SGK-N, der SPO, von santésuisse, Spitex Schweiz, Pharmasuisse und H+ ihre Perspektiven zu Netzwerken für die Integrierte Versorgung (die freigegebenen Präsentationen finden Sie unten).
Runder Tisch auf Augenhöhe
In der Diskussion fragte Moderator Urs Zanoni: «Wie kann man sich einen <Runden Tisch auf Augenhöhe> vorstellen?» Martine Ruggli (Pharmasuisse): «Wenn alle in einer echten Zusammenarbeit einen Mehrwert erkennnen». Susanne Gedamke (SPO) fand, «Augenhöhe» würde auch die Betroffenen als Ressource für Lösungen anerkennen. Alle waren sich einig: Der Runde Tisch sei ein konstruktiver Weg, um Positionen differenzierter zu betrachten und auch Missverständnisse zu klären. Denn allein schon der Begriff «Netzwerk» wecke unterschiedliche Assoziationen.
Deutlich wurde: Die Integration «gesundheitsbezogener Sozialarbeit» in ein NKV wird gewünscht. Eine Finanzierung über das OKP hingegen sei unrealistisch. Solche Leistungen könnten eventuell über kantonale Leistungsaufträge oder die Budgets der Gemeinden vergütet werden, fand Salomé von Greyerz (BAG).
Unterschiedliche Meinungen
Während Pharmasuisse, SPO und Spitex «ja» sagen zu den NKV als Leistungserbringer, lehnt es der Vertreter der Spitäler, Markus Trutmann von H+, ab. Es sei kontraproduktiv, einem gewachsenen System nun quasi von oben einen Fremdkörper aufzudrücken. Er plädierte aber dafür, die Silos und die Fragmentierung aufzubrechen. «Das ist keine Machtfrage, sondern ein Gebot der Effizienz».
Christoph Kilchenmann von santésuisse zeigte Offenheit, betonte aber den Grundsatz der Freiwilligkeit («man kann Zusammenarbeit nicht verordnen») und vor allem der ärztlichen Verordnung nach einer Diagnose. Daran könne man nicht rütteln, sagte er. Ziel sei aber, interprofessionelle Netzwerke ins KVG aufzunehmen.
Wer kann zuweisen?
Einig waren sich alle: Ein Versorgungsnetzwerk müsse nicht unbedingt unter ärztlicher Leitung stehen (entgegen Vorschlag Bundesrat). Der Begriff der Zuweisung wurde in der Diskussion weiter gefasst. Es gebe durchaus leichtere Fälle von Krankheiten, in denen z.B. eine Spitex- oder Apothekenfachperson initiativ werden kann.
Entscheidend sei die Frage, wie die Akteure sich ins Netzwerk einbringen. Wissen sie genug voneinander (Kompetenzen)? Und vor allem: Sehen sie die anderen als gleichwertige Partner? Dazu fand Marianne Pfister (Spitex): «Zusammenarbeit entsteht nicht, wenn jeder in der Gruppe glaubt, man sei im Netz am wichtigsten.» Susanne Gedamke, SPO befand, das Gesundheitssystem sei zu stark vom Blick durch die «Akutbrille» geprägt. «Je koordinierter das System, desto mehr rückt das Spital an den Rand».
Suche nach dem Schlüssel
Am Schluss stand die Frage: Was sind die Schlüsselkriterien zur Förderung von Koordinierter Versorgung?
Antworten:
- Kompetenzen der anderen Leistungserbringer besser kennen (Martine Ruggli, Pharmasuisse)
- Der Mehrwert muss für alle erkennbar sein (Christoph Kilchenmann, santésuisse)
- Kommunikation – von Nutzern lernen (Susanne Gedamke, SPO)
- Digitale Kommunikation und finanzielle Anreize mit EFAS unter Einbezug der Pflege (Marianne Pfister, Spitex Schweiz)
- Qualität statt Kostensparen: Fokus auf die ganze Kette der Versorgung legen. Gleichzeitig die wichtigen Strukturreformen EFAS und die neuen Tarife endlich umsetzen und wirken lassen. (Markus Trutmann, H+)
- Voraussetzungen schaffen (Digitalisierung!). Berufsübergreifendes Arbeiten müsse zur Selbstverständlichkeit werden, dann würde auch die Liste der definierten Leistungserbringer nach Art. 35 KVG irgendwann obsolet (Salome von Greyerz, BAG)
- Softskills, Qualität – es gibt die Schlüssel bereits und vieles ist schon möglich, wenn man sich für alle Seiten öffnet und die Ressourcen nutzt (Urs Zanoni, Moderator)
Forum für Integrierte Versorgung – Gesundheitspolitischer Anlass
Der erste gesundheitspolitische Anlass hat im November 2020 aufgrund vonCovid19 online statt gefunden. Hier geht’s zum Webinar.
Das Schweizer Forum für Integrierte Versorgung (fmc) bedankt sich bei den Referent:innen für Ihre wertvollen Beiträge und bei Urs Zanoni für die Moderation des gesundheitspolitischen Anlasses.
Der Vertreter von medswiss.net, dem Dachverband der Schweizer Ärztenetze, musste sich kurzfristig abmelden und es konnte kein/e alternative Verterter:in der ärztlich koordinierten Versorgung an den Anlass eingeladen werden.